Am 25. August 2013 wird der Dokumentarfilm «Hafu» in Anwesenheit der Co-Regisseurin Lara Perez Takagi erstmals in der Schweiz gezeigt. Der Film befasst sich mit den Menschen, die einen japanischen und einen ausländischen Elternteil haben. In Japan werden sie «Hafu» genannt. Wie erleben diese Personen ihr Leben in Japan? Der Film präsentiert vielfältige Antworten. Asienspiegel-Gründer Jan Knüsel schreibt im Folgenden über seine ganz persönliche Haltung zu diesem Begriff.
Bei der Lektüre der Japan Times bin ich kürzlich auf einen Artikel von Ryan Surdick gestossen, dem es gelungen ist, ein alt bekanntes Problem treffend zu beschreiben. «Mein Sohn ist mehr als nur ein ‹Halber›» heisst der Titel frei übersetzt auf Deutsch. Er thematisiert dabei den Umgang der Japaner mit Menschen, die einen japanischen und einen ausländischen Elternteil haben.
«Hafu», vom englischen Wort «half» kommend, nennt man sie. Halb-Japaner, Halb-Ausländer. Im Gegensatz zum Deutschen kann «hafu» ganz alleine für sich stehen. Ein «Halber» also. Surdicks einjähriger Sohn Kenji ist auch ein «Hafu» und auf diese Art schauen die Japaner ihn an. Sätze wie «Yappari, hafu ga kawaii» («Die Halben sind schon süss!») oder «Hafu no me ga okii» («Die Augen der Halben sind gross!») muss sich der Vater täglich anhören.
Nicht böse gemeint
Die Japaner verwenden solche Ausdrücke übrigens als Kompliment. «Hafu» zu sein ist gut. Von einem «Hafu» hat man die Vorstellung, dass er mehrsprachig ist, ein bisschen exotisch aussieht, aber dennoch nicht so exotisch ist, dass es in einem Japaner die Unsicherheit vor dem Fremden auslöst. Ja, «Hafu» können berühmt werden in Japan, und ausserdem lässt sich das Wort ganz nach dem japanischen Geschmack leicht und geschmeidig aussprechen.
Dass es aber auch «Hafu» gibt, die in Japan aufgewachsen sind und kein Englisch sprechen, daran denkt niemand. «Hafu» ist zu einer ethnischen Bezeichnung verkommen. Man wird damit in einen Topf voller fixer Vorstellungen und Vorurteile geworfen. «Ach ja, Du meinst den Hafu?» heisst es dann oft. Sich den Namen jener Person zu merken? Überflüssig.
Wie sich das für ein Kind anfühlt, das einen ausländischen Elternteil besitzt, aber das ganze Leben in Japan aufgewachsen ist und sich entsprechend zu 100 Prozent als Japaner fühlt? Sind diese Menschen nur «halbe» Mitglieder der Gesellschaft?
Der «Mischling»
Ich selbst kann mich in diese Situation gut hineinversetzen. Als Sohn einer Vietnamesin und eines Schweizers wurde ich in meiner Kindheit in der Schweiz wie selbstverständlich als «Mischling» oder französisch als «métis» bezeichnet. «Mischling»? Das tönt für mich mehr nach Hundezucht als nach Mensch. Ein grässlicher Ausdruck.
Vietnamesisch spreche ich leider nicht. Nach etlichen Stunden im Sprachkurs habe ich dieses Projekt auf Eis gelegt. Weshalb? Weil ich dabei sowieso nichts richtig mache. In Vietnam lachen sie gewöhnlich über meine schlechte Aussprache oder sie fragen sich erstaunt, weshalb ich denn nicht besser Vietnamesisch könne. Würde ich perfektes Vietnamesisch beherrschen, würde das aufgrund meiner Herkunft wiederum als eine Selbstverständlichkeit aufgefasst.
Etwas sein und es doch nicht sein. Ich kenne die Situation jedes «Hafu» nur zu gut.
Der «Gaijin»
Meine Befreiung war Japan. Das Land hatte mich schon immer fasziniert, der Schritt zum Japanisch-Studium war die logische Folge. Plötzlich wurde es geschätzt, dass ich die Sprache lerne. Es fällt auch nie die Bemerkung, dass ich Japanisch ohnehin beherrschen müsste. Hier bin ich ein «Gaijin», ein Ausländer, völlig unbelastet von irgendwelchen gesellschaftlichen Erwartungen an meine Person.
Mit der genauso schwierigen Bezeichnung «Gaijin» kann ich in meinem Fall problemlos umgehen. Anders sein ist nur schon wegen meiner eigenen Lebenserfahrung etwas Normales. Das hat auch Vorteile.
Doch wie ist es für jemanden, der sich in Japan von klein auf ständig die Bezeichnung «Hafu» anhören muss?
Stolz, «Hafu» zu sein
Die in meinen Augen unglückliche Bezeichnung «Hafu» muss und kann man nicht verbieten. Es gibt auch viele, die den Begriff ins Positive gewendet haben. Sie sind stolz darauf, so bezeichnet zu werden, nennen sich selbst «Hafu». Jeder geht ganz nach Alter, Charakter und Lebenssituation anders damit um.
Es wäre jedoch zu wünschen, dass sich die Japaner klar werden, was sie mit der Bezeichnung «Hafu» ausdrücken und bei anderen womöglich auslösen. Ich gehe mit Ryan Surdick einig, dass man dieses Bewusstsein nur schaffen kann, wenn man die persönlichen Bedenken im Gespräch mit den japanischen Freunden teilt.
Selbst das Vokabular einer Gesellschaft ändert sich fortlaufend. In der Schweiz höre ich zumindest den Begriff «Mischling» kaum noch.